ISO 9001:2015 und Führungskräfte - Warum sich der Qualitätsgedanke noch nicht überall etabliert hat
Wenn man Führungskräfte fragt, was sie über die Norm ISO 9001:2015 wissen, dann werden meist zwei Punkte genannt: QM-Beauftragter (QMB) und QM-Handbuch sind nicht mehr notwendig. Verkannt wird dabei, dass Aufgaben und Verantwortung aufseiten der Führung deutlich zugenommen haben. Heute ist jeder Vorgesetzte sein eigener QMB und verantwortlich für Aufstellung und Einhaltung der Qualitätsziele.
Autor: Prof. Dr.-Ing. Horst Quentin, GFQ Akademie GmbH.
Erschienen in der Zeitschrift QZ 7/2018
Dazu kommt eine weitere Hürde für das Management, die Einführung des "risikobasierten Denkens". Am besten nimmt man sich zur Information darüber den Abschnitt 6 "Planung" von ISO 9001:2015 vor, in dem die Maßnahmen zum Umgang mit Risiken und Chancen festgelegt werden. Demnach muss jede Organisation im Rahmen ihres QM-Systems die Risiken und Chancen bestimmen, denen es zu begegnen gilt. Innerhalb des QM-Systems müssen alle Chancen genutzt werden, die die gewünschten Auswirkungen von eingeleiteten Aktivitäten verstärken bzw. unerwünschte Auswirkungen verhindern oder zumindest verringern. Für die Führungskräfte ergibt sich die Aufgabe, das Qualitätsbewusstsein im Unternehmen zu stärken und die qualitätsbezogene Zusammenarbeit zu fördern.
Führungsaufgabe ist es ...
Ursache für "Nicht-Qualität" ist in vielen Unternehmen ein abteilungsbezogenes Silodenken. Es fehlt an einem "Wir-Gefühl", die Bereiche ziehen nicht an einem Strang. Man geht lieber auf die Suche nach Schuldigen in anderen Bereichen, anstatt Qualitätsprobleme gemeinsam zu lösen oder sie vorausschauend zu vermeiden. Im Regelfall führt diese Vorgehensweise zu einer unbefriedigenden Zusammenarbeit der Bereiche und Hierarchieebenen, viele Gelegenheiten für Verbesserungen gehen verloren. Hier ist das (Top-)Management gefordert, Mauern zwischen den Abteilungen niederzureißen und ein Gemeinschaftsgefühl aufzubauen.
In dem wichtigen Abschnitt 6.2 der Norm "Qualitätsziele und Planung zu deren Erreichung" wird vorgeschrieben, dass Qualitätsziele für alle relevanten Funktionen, Ebenen und Prozesse festgelegt werden müssen. Dies ist ohne übergeordnete Ziele des Unternehmens, die vom Top-Management vorgegeben werden müssen, nicht möglich. Grundsätzlich gilt die Regel, dass übergeordnete Ziele aus der von der Führung vorgegebenen Qualitätspolitik abgeleitet werden. Diese übergeordneten Ziele müssen messbar sein, überwacht und vermittelt werden. Dies kann nur durch großes Engagement der Führung für Qualität erreicht werden.
Speziell auf die Aufgabe des Managements wird im Abschnitt 7 "Unterstützung" noch einmal eingegangen: "Für den Aufbau, die Unterhaltung und Verbesserungen eines QM-Systems sind von der Organisation die erforderlichen Ressourcen bereitzustellen." Dies gilt sowohl für das einzusetzende Personal, die zu schaffende Infrastruktur als auch für die Prozessumgebung.
... Qualitätsziele zu definieren und zu erreichen
Bisher ist es nicht durchgehend gelungen, das Top-Management für die Ideen des Qualitätsmanagements zu begeistern. Wichtiger scheint oft die Frage, ob Qualität, Kosten oder Lieferfähigkeit höhere Priorität genießen. Selbst mit dem Hinweis, dass "gute" Qualität weniger kostet als "schlechte", steht die Führung den Ideen des Qualitätsmanagements häufig abwartend gegenüber. Dabei zeigen Untersuchungen, dass die Kosten mangelnder Qualität zwischen drei und sechs Prozent des durchschnittlichen Gesamtumsatzes der vergangenen drei Jahre liegen können.
Grundsätzlich herrscht beim Management die Meinung vor, dass "gute" Qualität Geld kostet. Vielfach mangelt es den Führungskräften sowohl am Qualitätsbewusstsein als auch am Willen, ihre Rolle als Qualitätsverantwortliche für alle sichtbar wahrzunehmen. Deshalb bleibt der Aufruf an die Unternehmensleitungen: Nehmen Sie Ihre Aufgaben im Rahmen des Qualitätsmanagements wahr und Ihre Führungskräfte für alle sichtbar in die Pflicht! Dies ist nur möglich, wenn Qualität kompromisslos vorgelebt wird – jeden Tag aufs Neue.
Autor: Prof. Dr.-Ing. Horst Quentin, GFQ Akademie GmbH.
Prof. Dr.-Ing. Horst Quentin war Leiter des zentralen Qualitätswesens bei einem großen Automobilzulieferer. Anschließend wurde er Inhaber des Lehrstuhls für Qualität am Institut für Industrial Engineering an der Universität Stellenbosch/Süd Afrika. Bis 2006 war er bei der GFQ Akademie in Rheinböllen Berater für Qualitätsmanagement. Er ist heute weiterhin aktiv bei der Gestaltung der ISO 9001 Seminarinhalte der GFQ Akademie tätig.