SPC und Kleinserienfertigung?
Wie sich SPC auch in Branchen mit kleinen Serien einsetzen lässt

SPC und Kleinserienfertigung – passt das zusammen?

Heute wird statistische Prozessregelung (SPC) nahezu überall eingesetzt. Die Automobilhersteller fordern in ihren Qualitätsvereinbarungen mit Lieferanten sogar den Einsatz von SPC, um fähige und beherrschte Prozesse so zu steuern, dass die vereinbarten Prozessfähigkeitskennwerte eingehalten werden. Noch nicht ganz angekommen ist SPC in der Einzel- und Serienfertigung, etwa im Maschinenbau, der Luftfahrtindustrie und vergleichbaren Industriezweigen – zu Unrecht.

SPC und Kleinserienfertigung – geht das?

Als Walter Shewhart die Grundlagen der statistischen Prozessregelung (SPC) erstmalig 1924 veröffentlichte, war ihm sicherlich nicht klar, dass seine Erfindung in der fortgeschrittenen Industrie einmal nicht mehr wegzudenken sein würde. Nur in der Einzel- und Kleinserienfertigung glaubt man, ohne SPC auszukommen. Als Grund wird oftmals die geringe Stückzahl angegeben.

Das stimmt natürlich grundsätzlich. Statistische Vorhersagen - und etwas anderes ist SPC nicht - leben von großen Zahlen. Je mehr (Mess-)Werte in die Analyse eingehen, desto genauer wird diese. Leider wird diese Tatsache oftmals als Argument benutzt, SPC abzulehnen. Damit verbaut man sich allerdings die Vorteile, die ein sinnvoller Einsatz von SPC für die Qualität der Produkte und die Effizienz der Produktion bringt. Die grundsätzliche Fragestellung sollte folglich lauten: Wie kann die auswertbare Datenbasis vergrößert werden, ohne dabei gegen statistische Grundregeln zu verstoßen?

Die nachfolgend dargestellten Möglichkeiten wurden in einem Unternehmen der Luftfahrtindustrie entwickelt, in dem in kleinen Serien höchst anspruchsvolle Bauteile von Flugzeugtriebwerken hergestellt werden. Dabei ging es nicht vordergründig um höchste wissenschaftliche Präzision, sondern vielmehr um einen praktikablen Ansatz.

Größere Datenbasis auch in Kleinserien?

Daten zur statistischen Auswertung können auf verschiedenen Wegen gewonnen werden. Diese Möglichkeiten werden im Folgenden kurz dargestellt:

Fertigungsauftragsbezogene Auswertung für ein Bauteil und Merkmal

Bild 1: Auftragsbezogene Auswertung für ein Bauteil

Auftragsbezogen sind für jedes Schlüsselmerkmal eines Bauteils quantitative und qualitative Auswertungen möglich (Bild 1). Qualitative Auswertungen können anhand der Qualitätsregelkarte bezüglich Trend, Run, Zyklen oder anderer typischer Prozessverläufe erfolgen. Quantitativ lassen sich folgende Tests durchführen:

  • Test auf Normalverteilung,
  • Hypothesentest zur Prüfung, ob die Stichprobe einer (gedachten) Grundgesamtheit entstammt.

Folgende Kennwerte können berechnet werden:

  • Mittelwert und Standardabweichung,
  • Prozessfähigkeit,
  • Überschreitungsanteile,
  • Vertrauensbereiche für Mittelwert, Standardabweichung und Überschreitungsanteil.

Fertigungsauftragsübergreifende Auswertung für ein Bauteil und Merkmal

Um die Datenbasis für statistische Aussagen zu vergrößern, ist eine fertigungsauftragsübergreifende Auswertung (Zusammenfassung von Losen) sinnvoll. Dies setzt voraus, dass der Nachweis erbracht wird, dass die Stichproben einer Grundgesamtheit entstammen (Bild 2).

Bild 2: Auftragsübergreifende Auswertung für ein Bauteil und Merkmal

Qualitativ kann, in Verbindung mit der Qualitätsregelkarte, besonders bezüglich langfristiger Trends und Mittelwertverschiebungen ausgewertet werden. Quantitativ lassen sich die folgenden statistischen Nachweise führen und Vergleiche anstellen:

  • Hypothesentests, mit denen nachgewiesen wird, ob die verschiedenen Stichproben einer Grundgesamtheit entstammen:
    • F-Test: Vergleich zweier Standardabweichungen aus normalverteilten Grundgesamtheiten,
    • t-Test: Vergleich zweier Mittelwerte aus normalverteilten Grundgesamtheiten (wenn Parameter der Grundgesamtheit unbekannt sind, sonst u-Test),
    • Bartlett-Test für verschieden große Stichprobenumfänge hinsichtlich deren Streuungen
  • Vergleich der Mittelwerte und Streuungen der Stichproben der jeweiligen Aufträge,
  • Vergleich der Fähigkeitskennwerte,
  • Vergleich der Überschreitungsanteile.

Auswertung für verschiedene, ähnliche Bauteile mit Merkmalen gleicher Funktion und Toleranz

Qualitativ entspricht die Auswertung den bisher vorgestellten Auswertungsmethoden. Eine quantitative Auswertung ist nur für Streuungen und Prozessfähigkeiten möglich, da die Mittelwerte der Grundgesamtheit meistens unterschiedlich sind. Auch die Hypothesentests beschränken sich auf die Tests zum Vergleich von Streuungsparametern (Bild 3).

Maschinenbezogene Auswertung gleicher Bauteile und gleicher Merkmale

Mittels dieser Auswertung in quantitativer und qualitativer Hinsicht kann ein Vergleich der Fertigungseinrichtungen erfolgen (auftragsübergreifende Auswertung für ein Bauteil und Merkmal).

Bild 3: Auswertung für ähnliche Merkmale an Bauteil X und Y

SPC in der Kleinserie geht – grundsätzlich

Zwar ist die Methodik dann mit gewissen statistischen Unsicherheiten behaftet, aber die Vorteile überwiegen. Und wenn diese auch nur darin bestehen, dass sich Entwicklung bzw. Konstruktion, Fertigungsplanung und Fertigung interdisziplinär austauschen. Mit dem Ziel, so zu konstruieren und zu fertigen, dass ein maximaler Nutzen für die Kunden und das Unternehmen entsteht. Auch aktuelle SPC-Software wie Compact.Net der CAQ AG unterstützt die Anwendung von SPC in der Kleinserie.

Nach anfänglicher Skepsis hat sich inzwischen auch im genannten Luftfahrtbetrieb die Erkenntnis durchgesetzt, dass es besser ist, die Vorteile datenbasierter Entscheidungen zu nutzen, als Energie in deren Abwehr zu investieren.


Autor: Dipl.-Ing. Peter Schmeier, Referent für statistische Methoden des Qualitätsmanagements bei der GFQ Akademie GmbH.


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